Die 5-4-3-2-1-Übung ist eine von der Psychotherapeutin Yvonne Dolan entwickelte Technik aus der Traumatherapie, und eine Abwandlung der 5-4-3-2-1-Selbsthypnosetechnik nach Betty Erickson. Für mich persönlich hat sich diese Übung schnell als effektivste Maßnahme bei einer akuten Panikattacke herauskristallisiert, daher teile ich sie auch als erste Übung in meinem Blog. Bei anderen mögen andere Übungen besser wirken, das muss jeder Patient, bzw. Betroffene für sich selbst herausfinden. Übrigens kann die Übung, da es sich um eine Konzentrationslenkungstechnik handelt auch bei Einschlafproblemen wegen grüblerischer Gedanken oder bei anderen unerwünschten Gedanken hilfreich sein.
Augen auf und Ohren gespitzt – was sehe ich, was höre ich?
Sofern man sich von Panikattacken geplagt ein wenig im Netz beliest stößt man sehr schnell auf den Tipp die Konzentration weg von sich selbst auf die Umgebung zu lenken. Das sagt sich natürlich sehr einfach, und vor dem – übrigens im Vergleich zu vielen anderen Techniken sehr schnellen – erlernen der 5-4-3-2-1-Übung war mir persönlich das im Fall einer Panikattacke oder starker aufsteigender Angst einfach unmöglich. Die 5-4-3-2-1-Übung hilft einem jedoch dabei und hat bei mir schon bei der ersten Anwendung im Ernstfall erstaunliches bewirkt.
Legen wir also los – es ist ganz einfach:
- Wenn möglich – wenn man also in einer Situation ist, die es zulässt – kann man sich zunächst in eine entspannte Position begeben und damit den Effekt verstärken. Das ist aber nicht zwingend notwendig.
- Im zweiten Schritt zählt man 5 Dinge auf, die man gerade sieht. Wenn die Situation es erlaubt zählt man diese Dinge laut auf, anderenfalls in Gedanken. Steht man beispielsweise in einem Bus zählt man in Gedanken auf: »Ich sehe eine Haltestange an der Decke, ich sehe die bunten Schnürsenkel des Fahrgastes neben mir, ich sehe einen beschädigten Fenstergummi, ich sehe draußen Fußgänger die über die Ampel gehen, ich sehe ein Taxi vor dem Bus«.
- Hat man 5 Dinge aufgezählt die man sehen kann lenkt man die Konzentration auf 5 Geräusche die man hört. Bleiben wir in der Bus-Situation: »Ich höre das aufheulen des Motors, ich höre ein Kind im Kinderwagen mit der Rassel spielen, ich höre das Gelächter einiger Passanten außerhalb vom Bus, ich höre ein Motorrad heranrasen, ich höre eine Feuerwehr in weiter Entfernung.
- Die Schritte 2 und 3 wiederholt man nun mit 4 Dingen die man sieht und hört, dann geht es weiter mit 3, 2 und zum Schluss nur jeweils einem gesehenen und gehörten.
Die Übung kann man dabei je nach Bedarf mehrmals wiederholen, bis man eine Entspannung spürt und die akute Angst, Panik oder andere negative Gedanken überwunden sind.
Tipps und Hinweise für die Übung
Eigentlich folgt in der Übung nach Dolan auf sehen und hören noch das fühlen. Da man als Angstpatient jedoch meistens nichts gutes fühlt – und damit auch die Konzentration doch auf sich selbst lenkt -, habe ich diesen Part bewusst weggelassen. Man kann jedoch diesen Teil der Übung hinzufügen, wenn man selbst davon profitiert. Es kommt auf den Versuch an.
Idealerweise sollte man nicht immer die gleichen Dinge aufzählen. Wenn man jedoch in einer ruhigen Umgebung ist kann das beim hören sehr schwer fallen. Dann ist es völlig in Ordnung, wenn man die gleichen Dinge mehrmals aufzählt.
Kommt man während der Übung aus dem Takt ist das nicht gleich ein schlechtes Zeichen. Es kann auch bedeuten, dass bereits eine Entspannung eintritt. Wenn sich der Zustand gut anfühlt sollte man ihn einfach hinnehmen und zulassen. Wenn nicht, setzt man einfach wieder ein oder beginnt von vorn.
Warum funktioniert diese Übung so gut?
Die Übung ist nicht nur wahnsinnig schnell und einfach zu erlernen, sie funktioniert auch bei den meisten Patienten hervorragend. Warum? Stress und Ängste entstehen meist aus der Erinnerung an negative Erlebnisse aus der Vergangenheit oder Gedanken an bevorstehende, als unangenehm oder bedrohlich empfundene, Ereignisse oder Situationen. Die Konzentration auf das »Hier und Jetzt« und neutrale Sinneseindrücke hilft es diese Gedanken zu verdrängen.
Wenn unser Gehirn damit ausgelastet wird sich in einer nicht zu langsamen Geschwindigkeit auf die Sinneswahrnehmungen von Auge und Ohr zu konzentrieren, dann bleiben keine Kapazitäten frei für grüblerische und ängstliche Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft.
Die Übung mit zwei oder mehr Personen durchführen
Die 5-4-3-2-1-Übung lässt sich im übrigen auch wunderbar mit mehreren Personen durchführen. Ich selbst habe das beispielsweise schon bei Waldspaziergängen mit meiner Frau ausprobiert und eine aufkommende, anschwellende Angst war schnell wieder im Griff und ich wurde ruhiger. Über Erfahrungsberichte würde ich mich freuen!