Entscheidungen – manchmal schmerzhaft, immer nötig

Entscheidungen
Entscheidungen

Tagtäglich müssen wir eine Fülle an Entscheidungen fällen. Das fängt bei einfachen Sachen an, wie z.B. der Frage ob wir eher die leichte Jacke anziehen mit dem Risiko zu frieren, oder doch eher die dicke Winterjacke mit der Gefahr zu schwitzen.

Je größer die Folgen, um so schwerer tun wir uns

Während bei der Wahl der passenden Jacke die Konsequenzen der – womöglich – falschen Entscheidung leicht abseh- und überschaubar sind, gibt es auch Entscheidungen die wesentlich umfangreichere Konsequenzen und weitreichende Folgen haben können.

Je größer die Risiken, je folgenschwerer die falsche Entscheidung sein könnte, um so schwerer tun wir uns damit eine Entscheidung zu fällen. Das gilt natürlich nicht nur für Angstpatienten.

Wichtige Entscheidungen aufzuschieben schafft massiven Stress!

Das Problem dabei ist: eine Entscheidung müssen wir in jedem Fall fällen. Und die negativen Folgen des Aufschiebens der Entscheidung sind oft schlimmer, als es die »falsche« Entscheidung wäre.

Natürlich müssen wir vor einer Entscheidung das für und wider abwägen. Aber wenn der Punkt überschritten ist, an dem wir keine neuen Erkenntnisse und Entscheidungsgrundlagen gewinnen, beginnt der emotionale Stress.

Beispiel aus der Praxis

Nehmen wir ein Beispiel aus der Praxis, bei dem eine aufgeschobene Entscheidung unnötigen Stress verursacht hat:

Ich musste kürzlich wegen einer Unverträglichkeit auf ein anderes Medikament umsteigen. Der Psychiater hat mir dazu klipp und klar gesagt, dass die nächsten 2 Wochen durch die Nebenwirkungen sehr unangenehm werden – und mir empfohlen mich für diesen Zeitraum arbeitsunfähig zu schreiben.

Nun bin ich aber ein Arbeitstier, liebe meinen Job und gestehe mir ungern Schwächen ein. Daher habe ich auf diese Option verzichtet, und statt dessen erstmal Tag für Tag entschieden, ob ich wieder fit genug bin arbeiten zu gehen.

Stress der nicht sein muss

Im Grunde habe ich damit aber einfach nur die Entscheidung verweigert, aufgeschoben, gesplittet. Wie hat sich wohl das wiederholte eingestehen, dass es »heute noch nicht geht« auf meine Psyche ausgewirkt? Baut das auf? Absolut nicht.

Nun arbeite ich zwar in der besten Firma die man sich vorstellen kann, habe ein gutes Verhältnis zu meinen Vorgesetzten. Aber wie fühlt es sich wohl an diese Tag für Tag vertrösten zu müssen, die Prognose in den Raum zu stellen, man säße Morgen wieder im Büro, und kann es dann doch nicht? Nicht gut.

Dabei war von Anfang an klar, dass die Nebenwirkungen des Medikaments mich erheblich einschränken würden, und selbst wenn ich den Weg ins Büro finden würde, ich dort nur einen Bruchteil meiner Leistung bringen könnte.

Also habe ich mich ebenso wie viele Angestellte die z.B. mit einer Erkältung dennoch ins Büro kommen, um die Entscheidung gedrückt der Empfehlung des Arztes zu folgen, mir eine Auszeit zu nehmen.

Folgen abwägen, Umstände akzeptieren, entscheiden

Warum tut man das? Zunächst mal will natürlich niemand in unserer Leistungsgesellschaft Schwäche zeigen. Wer krank zur Arbeit kommt, der zeigt besonderen Einsatz – glaubt man.

Das ist natürlich grandioser Unsinn. Wer krank zur Arbeit kommt riskiert unter Umständen Kollegen anzustecken, arbeitet mit stark reduzierter Leistungsfähigkeit, und behindert oft mehr als er oder sie nutzt. Wer krank ist, soll sich erholen, und sobald die volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt ist die Arbeit wieder aufnehmen.

Die Angst um den Arbeitsplatz, falsch verstandene Härte und Übermotivation führen dennoch dazu, dass wir uns oft zur Arbeit quälen, wenn eigentlich Erholung fällig wäre.

Manchmal muss man einfach die Umstände akzeptieren, und eine entsprechende Entscheidung fällen. Für mich heißt das z.B. AU als Konsequenz mehrerer abgebrochener Versuche schon wieder ins Büro zu gehen. Diese Entscheidung fiel mir sehr, sehr schwer. Zugleich ist mir aber eine enorme Last von den Schultern genommen worden, als ich die Entscheidung gefällt hatte. Und das ist bei praktisch allen größeren Entscheidungen im Leben so: in dem Moment, in dem wir endlich eine Wahl treffen, zu der wir stehen, gehen wir zwar das Risiko des scheiterns ein, laufen aber nicht mehr gedanklich in verschiedene Richtungen, was uns sprichwörtlich zerreißt!

 

Rückschläge: Hart, schmerzhaft, einschüchternd – aber unvermeidbar

Wie gerne würde ich in meinem Blog hier, passend zum Titel, nur von Fortschritten raus aus der Angst schreiben. In einer perfekten Welt ginge das – die Welt ist aber nicht perfekt.

Krankheit verstanden, Thema erledigt?

Und weil die Welt nicht perfekt ist, muss ich heute mal zu einem weniger erfreulichen Thema schreiben: der Rückkehr der Panik.

Vor nicht ganz einem Jahr hat mich meine Panik in die Psychiatrie gebracht. Eine stationäre Aufnahme war nicht mehr zu vermeiden, die Grenzen innerhalb derer man die Panik noch mit einfacheren Maßnahmen in den Griff bekommt waren überschritten.

Ich wurde schnell zum Musterpatienten. Ich begriff die Grundlagen der Erkrankung, ich verstand die Methoden sie in den Griff zu bekommen. Vordergründig war und ist das etwas positives. So schnell so fundamentale Fortschritte zu machen führt aber leider auch schnell in eine gewisse Arroganz.

Wer in alte Muster verfällt, muss mit alten Konsequenzen rechnen

Da ich die physischen und psychischen Grundlagen der Angsterkrankung durch fleißige Teilnahme an Therapiesitzungen, Psychoedukation, Selbststudium schnell verstanden hatte, und die Behandlung – in erster Linie auch die Konsequenzen für den Alltag – wunderbar anschlug, erschien mir die Angst plötzlich relativ leicht beherrschbar.

Das ist tückisch. Denn mit der Zeit schlichen sich alte Gewohnheiten ein, Gewohnheiten die das allgemeine Stresslevel anheben und schlussendlich wieder in die Panik führen.

In letzter Konsequenz hat das dann gestern zur ersten massiven Panikattacke seit meinem Klinikaufenthalt geführt. So massiv, dass mich wie in den schlimmsten Zeiten meine Frau auf dem Heimweg von der Arbeit einsammeln musste, weil ich alleine nicht konnte.

Wenn die Angst wiederkommt: realistisch bleiben

Natürlich war der erste Gedanke dann: jetzt ist alles umsonst gewesen, geht es wieder von vorne los.

Nein, das tut es nicht. Rückschläge sind völlig normal, und wenn man dann auch noch wie in meinem Fall so deutlich die Ursachen erkennen kann, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Panik wieder hochkocht.

In den letzten Monaten bin ich wieder in alte Verhaltensmuster verfallen. Es allen recht machen wollen, alle Aufgaben an sich reißen, statt zu delegieren, die eigenen Grenzen – physisch und psychisch – nicht akzeptieren, über, statt mit anderen reden – und so weiter und so fort.

Wie dumm ist es da, zu erwarten, dass das folgenlos bleibt?

Abbremsen, Abstand gewinnen, Konsequenzen ziehen

Das wichtigste, wenn die Angst in größerem Ausmaß wiederkehrt, wenn die Panikattacken oder – attäckchen wieder alltäglich werden: abbremsen, die Reißleine ziehen.

Wir alle sind weder Superman, noch Supergirl. Wir haben Grenzen, beschränkte Ressourcen und wir Angstpatienten dummerweise noch eine Erkrankung, die uns bei konstant zu hoher Belastung nicht einfach zusammenbrechen, sondern zitternd als machtlose Zombies zurücklässt.

Sobald sich die ersten Anzeichen einer solchen Überforderung, eines zu hohen Stresslevels bemerkbar machen, ist es dringend nötig sich zu bremsen und ein paar Fragen zu stellen – z.B.:

  • Mute ich mir zu viel zu?
  • Kann ich Aufgaben abgeben?
  • Gibt es Aufgaben die so unwichtig sind, dass es keine bedeutenden Konsequenzen hätte sie unerledigt zu lassen?
  • Kann ich mir Hilfe suchen?
  • Welche Möglichkeiten der Entspannung kann ich schnellstmöglich umsetzen?
  • Mit wem kann ich über meine Sorgen und Nöte reden?

Ziele: akuten Stress abbauen, Stressoren ausschalten

Man kann sich noch viele weitere Fragen stellen, im Kern drehen sich aber alle um zwei bedeutende Themen: wie kann ich meinen akuten Stress abbauen, wie kann ich die ursächlichen Stressfaktoren reduzieren?

Klingt nicht neu? Ist es ja auch nicht. Denn wenn die Angst zurückkommt, die Panikattacken sich wieder häufen, dann liegt das in der Regel nicht an neuen Auslösern, sondern daran, dass wir die alten einfach wieder ein wenig aus den Augen verloren haben.

Nicht dramatisieren, aber auch nicht bagatellisieren

Das wichtigste ist es, wenn man einen solchen Rückschlag erlebt, nicht zu dramatisieren. Ja, die wiederkehrenden Panikattacken sind mehr als nur unangenehm, die plötzlich wieder auftretenden Einschränkungen im Alltag erstmal sehr frustrierend.

Aber alles in allem ist das ganze nur ein unvermeidlicher Teil des Prozesses der dauerhaften Angstbewältigung.

Die Signale gilt es ernst zu nehmen, aber nicht zu dramatisieren. Treten die ersten Anzeichen einer massiven Verschlechterung auf, muss man schnellstmöglich die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Ohne dabei in blinden Aktionismus zu verfallen. Einfach nur realistisch bleiben, die eigene Situation mit einem gewissen Abstand betrachten und sich überlegen welche sinnvollen, zielführenden Konsequenzen man ziehen kann.

Welche das sein können, dazu wird es in den nächsten Tage einige Beiträge geben.